Motorpsycho (Postbahnhof)

Konzertkritik: Motorpsycho
Price:
24,90 €

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Rating:
4
On 22. Mai 2014
Last modified:24. April 2016

Summary:

Wenn ich das Konzert in einem Wort zusammenfassen müsste, es wäre: episch. Kann man mal machen, aber bestimmt nicht nochmal ohne Gehörschutz.

An einem der bisher heißesten Tage des Jahres zog es mich gestern in den muffigen Postbahnhof. Mit einem sommerlich-bunten Ensemble hatte ich für den Abend auch das zweit-unpassendste Outfit (nach einem Wu-Tang-Clan-Shirt) an, das man sich für ein solches Konzert vorstellen kann. Es spielten die experimentierfreudigen Grenzgänger-Rocker von Motorpsycho.

Als Support fungierten die Cottbusser Stoner-Rocker von Grandloom, die offenbar durch ihre Lautstärke versuchten, die noch an der frischen Luft wartenden Gäste ebenfalls zu beschallen. Das ging jedenfalls reichlich auf die Plomben, selten hätte ich mir mehr gewünscht, ein paar Ohropax dabei gehabt zu haben. Ein bisschen Leid taten sie mir auch, weil sie die meiste Zeit vor 50 verstreut im Raum stehenden Leuten spielten. Gegen Ende füllte es sich aber doch, offenbar wollten einige mal nachschauen, was das denn für ein Krach ist.

Dann gab’s den ersten Stilbruch des Abends: Zur Überbrückung des Bühnenumbaus dudelte Country-Musik vom Band. Normalerweise sollte man da protestieren, aber zur Entspannung meiner Ohren kam mir das ganz gelegen. Zeit, sich eine Strategie zu überlegen, falls Motorpsycho ebenfalls ihre Verstärker auf 11 drehen, aber mir fiel dazu nichts besseres ein, als mich zur Abwechslung mal nicht an den Rand der dritten Reihe vor der Bühne zu stellen, sondern mittig relativ weit hinten.

 

Motorpsycho akustisch

Es folgte der zweite Stilbruch: Die langhaarigen Motorpsychos betraten mit drei Akustikgitarren bewaffnet die Bühne. Die Ansage lautete, man wolle angesichts der Temperaturen nicht gleich losrocken, sondern würde erstmal diese Hippie-Nummer durchziehen. Die ersten paar Stücke waren somit allesamt friedlich anmutende, kurze Lieder, die ein bisschen Lagerfeuerstimmung verbreiteten. Durchaus selbstironisch verwiesen sie auch darauf, dass so manche norwegische Studentenparty vorbei war, nachdem jemand anfing, die Gitarre rauszuholen und eines dieser schunkeligen Stücke zum Besten zu geben. Ein amüsanter Moment jedenfalls, die zotteligen Hard-Rock- und Metal-Fans im Publikum zu erleben, wie sie diese Lieder mitsangen, während die Herren auf der Bühne sich ihr Feixen kaum verkneifen konnten.

Danach, man kann es erahnen, Stilbruch: Die Akustikgitarren wurden gegen Bass und E-Gitarren ausgetauscht, eine davon zweihalsig (ich dachte, seit den 70ern hat sowas keiner mehr gespielt). Und auf die zartschmelzenden Akustikstücke wurde es nun sehr düster mit einem Zehnminüter, der mit „Hell“ passgerecht betitelt ist. Auch in Sachen Lautstärke korrigierten die selbstbetitelten „4 Norsemen of the Apocalypse“ die Messlatte wieder nach oben.

Es folgte nun das klassischere Motorpsycho-Œvre aus sperrigen Stücken mit Psychedelic-Einschlag, abrupten Wechseln zwischen ruhigen und sehr lauten Passagen, langen, teilweise improvisierten Instrumentalparts und wechselnden Taktmaßen. Gerade die Instrumentalparts sind auf einem solchen Konzert durchaus anstrengend, da aufgrund der Lautstärke unweigerlich die Gitarren in einer großen Melange verschwimmen und die Feinheiten des Spiels nicht mehr herauszuhören sind. Ich konzentrierte mich daher eher auf den schlaksigen Schlagzeuger, der gekleidet mit Shorts, Muscle-Shirt und Beanie wie ein Fremdkörper auf der Bühne wirkte. Aber wie der das enorme, vor ihm aufgetürmte Schlagzeug malträtierte, war in jedem Fall beeindruckend. Mit einer trotz der Komplexität der Percussion unglaublichen Präzision schlug er um sich, dass es eine Freude war.

Ich bin schon auf Konzerte gegangen, ohne besonders viel Material des Künstlers zu kennen (z.B. nur eine Handvoll Stücke bei Joan as Police Woman). Von Motorpsycho würde ich das nicht behaupten, aber dennoch kannte ich über den gesamten Abend verteilt nur zwei Stücke. Etwas in der Richtung hatte ich befürchtet, da sie in ihrer jüngeren Schaffensperiode in bester Pink-Floyd-Manier auch gern mal 60minütige Alben raushauen, die nur aus 4 Titeln bestehen – wenn jedes gespielte Stück im zweistelligen Minutenbereich liegt, kommen ja insgesamt nicht viele Stücke dabei rum. Angesichts geschlagener drei Stunden Spielzeit erfüllte sich diese Befürchtung allerdings nicht.

Fazit

Wenn ich das Konzert in einem Wort zusammenfassen müsste, es wäre: episch. Kann man mal machen, aber bestimmt nicht nochmal ohne Gehörschutz.

4
Ticketpreis: 24,90 €

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