Lollapalooza 2017 – Tag 2 (10.09.2017)

Die Entscheidung Rad zu fahren, stellte sich als goldrichtig heraus. Offenbar kam es am Vortag bei der Abreise zu ziemlichen Verzögerungen, da der Busshuttle nicht lief und die S-Bahnen erwartungsgemäß mit 80.000 Leuten etwas überfordert waren. Für Sonntag wurde nun Besserung gelobt.

Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass es sich dabei um von einigen Kommentatoren herbeigesehntes Chaos handelte. Die suboptimale Anbindung der Galopprennbahn war den Festivalbesuchern klar. Die Häme, mit der dies anschließend kommentiert wurde, war aber vorhersehbar. Wenn es um Berlin geht, wird gern auch eine Mücke zum Elefanten im Porzellanladen gemacht. Das passt so schön ins Bild einer Stadt, in der angeblich nichts funktioniert. Leute, die sich über das Scheitern anderer das Maul zerreißen, ohne es besser machen zu müssen, könnte es für meinen Geschmack weniger geben.

BlumenAber genug des politischen Kommentars. Was läuft denn nun am zweiten Tag in Hoppegarten? Zunächst einmal ist das Wetter besser als am Vortag, was Sonnenanbeter gefreut haben dürfte. Ich bin auch schon früher vor Ort, da heute mehr auf meinem Programm steht. Die letzten Takte Django Django, zu denen ich gerade eintreffe, sind allerdings keines eigenen Abschnitts würdig, da ich sie nur aus der Warteschlage für ein Pulled-Beef-Sandwich verfolge.

Westbam

Einigermaßen gesättigt geht’s dann rüber auf die Perry’s Stage, wo gerade Westbam auflegt. Besonders lange bleibe ich nicht, was aber hauptsächlich dem heute etwas enger getakteten Programm geschuldet ist. Was ich jedenfalls hier höre sind die gemächlich wummernden Vierviertel, die ich auch erwartet habe. Tut keinem weh, der Elektro mag, und zumindest gefälliger als der Rummelplatztechno, den ich noch am Vortag aus dieser Ecke vernommen habe. Aber ich muss weiter.

Metronomy

MetronomyDenn auf der Alternative Stage spielen die Jungs und Mädels von Metronomy. Hätte ich mir vorher nochmal meine Ausführungen dazu vom Melt! durchgelesen, wäre ich da sicherlich mit anderer Erwartung hingegangen. Auf die ungläubige Frage einer Begleitung, ob ich das denn gut fände, lautet meine Antwort: aufgrund der weiblichen Schlagzeugerin fühle ich mich etwas verpflichtet dazu; gestern habe ich keine einzige Frau auf den Bühnen gesehen. Das sehr durchwachsene Publikum hätte sicherlich auch mehr Diversität bei den auftretenden Acts gut gefunden.

Ungeachtet moralischer Verpflichtungen will der Funke bei Metronomy aber nicht zu mir überspringen. Das ändert sich erst, als dann das obligatorische „The Look“ gespielt wird. Das Stück ist halt einfach mal geil, erst recht vor tausenden Leuten auf einem Festival. Für den Rest muss ich’s mir aber nicht nochmal anschauen.

AnnenMayKantereit

Auf der Hauptbühne folgt anschließend wieder ein #allmalepanel, nämlich die Kölner AnnenMayKantereit. Die wurden Anfang letzten Jahres derart gehypt, dass ich mich genötigt sehe, sie nicht zu mögen. Das fällt mir auch gar nicht schwer, denn deren auf deutsch gesungenen Texte finden keinen Bezugspunkt in meiner Lebenswirklichkeit. Dazu kommt die röhrige Stimme des Sängers Henning May, die ich beim ersten hören noch prätentiös finde. Spätestens nach dem zweiten geht sie mir sogar ziemlich auf den Keks. Würde ich darauf stehen, könnte ich auch Westernhagen hören.

Ich muss allerdings zugeben, dass der Rest, also alles, was sie mit ihren Instrumenten anstellen, schon Hand und Fuß hat. Mit anderen Vocals könnte mir das also vermutlich gefallen. Aber gut, wenn ich das Publikum sehe, gibt’s offenbar genug Leute, die auf AMK abfahren. Da braucht’s mich nicht.

London Grammar

Also zurück zur Alternative Stage. Die Briten von London Grammar habe ich vor einigen Jahren schonmal in ganz kleinem Rahmen gesehen. Ob deren doch vergleichsweise intime Musik auch vor ein paar Tausend Leuten auf einem Festival funktioniert?

London GrammarIch habe damals den Vergleich mit The xx aufgemacht, in deren Windschatten London Grammar bekannt wurden. Was mich bei ersteren störte (der gelangweilt-gehauchte Gesang) konnten die anderen durch die markante Alt-Stimme der Sängerin Hannah Reid umgehen. Ansonsten bewegten sich beide Bands stilistisch in ähnlichen Gefilden.

Leider muss ich aber sagen, dass mich London Grammar diesmal nicht überzeugen kann. Die Musik finde ich nach wie vor gut. Aber wenn drei Leute auf einer riesigen Bühne stehen, von denen eine nur singt und ein zweiter vereinzelte Licks auf der E-Gitarre einstreut, kann daraus kein Sound entstehen, der dem Wummern des parallel laufenden Cro im Hintergrund etwas entgegenzusetzen hätte. Zwar changiert der dritte im Bunde zwischen Sampler, Tasten, Schlagzeug und Drumkit, kann aber damit natürlich auch nur einen Bruchteil des ansonsten vom Band abgespielten Backings live reproduzieren.

Ich denke, die Musik London Grammars ist nicht für große Bühnen gemacht, in Clubs oder kleinen Hallen funktioniert das besser.

Foo Fighters

Zurück auf der Hauptbühne folgt der enormen Band-Shirt-Dichte nach zu urteilen für die meisten der Headliner des gesamten Festivals: die Foo Fighters. Dieser Band haftet mittlerweile ein gewisser Legendenstatus an – spätestens nachdem sich Frontmann Dave Grohl vor zwei Jahren nicht mal durch einen Beinbruch aus dem Konzept bringen ließ und das Konzert nach dem Knochenrichten mit Gipsfuß zuende spielte.

Es geht erwartungsgemäß schrammelig-schreiend los, sodass ich schnell das Weite suche. Während ich zwischen Fressbude und Dixi unterwegs bin, höre ich nicht ganz ernstgemeinte Vorstellungen der Bandmitglieder und ausschweifendes Gelaber über die vielen Alben, von denen sie in den nächsten 2 Stunden Stücke spielen wollen. Ist die Musik etwa nur Mittel zum Zweck, damit der gute Mann auf der Bühne seine Späßchen mit dem Publikum machen kann? Wenn dann mal ein Stück gespielt wird, sind dennoch alle im Publikum frenetisch dabei.

Und ich muss sagen, der Mann hat Unterhalterqualitäten, die nicht viele vorweisen können. Wär das meine Musik, ich hätt’s geil gefunden. Und auch wenn ich unterdessen schon etwas genervt vor der nächsten Bühne warte, bis die Foo Fighters endlich fertig sind – beim letzten Stück „Everlong“ gefällt mir zugegebenermaßen nicht nur der Videoclip.


Foo Fighters – Everlong on YouTube

The xx

Das letzte Konzert des Festivals geht musikalisch nochmal in eine ganz andere Richtung. Und wo ich vorhin schon Vergleiche angestellt habe, kann ich ja jetzt gleich schauen, ob The xx auf der großen Bühne überzeugender daherkommen.

The xxUm es kurz zu machen, die Antwort lautet ja. Zum einen sind The xx ein Beleg für die alte Musikerweisheit „ist die Band auch noch so klein, Bass muss sein“. Zum anderen ist es überzeugender, wenn der Soundfrickler im Hintergrund DJ/Producer ist, denn so ist es offensichtlich, dass der übrige Sound nicht live eingespielt wird. Die recht aufwändige Bühnengestaltung mit rotierenden Spiegelwänden und umfangreicher Beleuchtung tut ihr übriges für die Stimmung.

Etwas überrascht bin ich von der Performance. Die Musik war zumindest in den Anfangszeiten der Band verhuscht-introvertiert. Entsprechend erwartete ich im Vordergrund zwei Menschen, die gesenkten Blickes und mehr oder weniger regungslos deprimiert ins Mikrofon hauchen. Doch die ausschweifende Gestik des Bassisten Oliver Sim und die fast schon fröhlichen Bewegungen der Gitarristin Romy Madley Croft belehren mich eines besseren. Vielleicht haben sie ihre Phase der Teenage Angst mittlerweile hinter sich gelassen? Es ist ihnen zumindest persönlich zu wünschen.

Ich bin bestimmt nicht der größte Fan im Publikum. Und auch nach dem Konzert werde ich’s nicht werden. Von jedem seit dem Debüt erschienenen Album finden weniger Stücke ihren Weg in meine Sammlung. Aber man kann sich The xx durchaus mal angeschaut haben.

Fazit

Viertel nach Elf ist dann aus die Maus und das Lollapalooza 2017 zuende. Die Abreise klappte diesmal wohl auch besser als am Vortag, insofern hat der Veranstalter Wort gehalten.

Hello Wood

Trotz der schwierigen Verkehrsanbindung hat mir die Location aber gut gefallen. Im Unterschied zum Treptower Park im Vorjahr tat mir jedenfalls die Landschaft nicht so Leid – plattgetrampeltes Gras gibt’s auf einer Pferderennbahn auch ohne Festival. Unabhängig davon gehe ich aber auch diesmal nicht davon aus, dass es eine Wiederholung an diesem Ort geben wird.

Mal schauen, was die Zukunft bringt.

Lollapalooza 2017
Samstag (09.09.2017) | Sonntag (10.09.2017)

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