Kate Tempest (Berghain)

Konzertkritik: Kate Tempest
Price:
19,40 €

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Rating:
5
On 21. April 2015
Last modified:6. Mai 2022

Summary:

Da stand ich nun in dieser hohen, dunklen Halle, der Bass der Box neben mir weht ein angenehmes Lüftchen um meine Arme und auf der Bühne wirft diese beeindruckende Person mich in ein Wechselbad der Gefühle. Ein auf mehreren Ebenen bewegender Abend.

Vor einiger Zeit fragte mich eine Kollegin, ob ich mit ihr zu Kate Tempest gehen würde. Von der Künstlerin hatte ich bis dato nix gehört. Ihr letztjährig erschienenes Solo-Debüt Everybody Down hat mich auf Albumlänge zwar nicht vom Hocker gehauen, enthielt aber zumindest einige Stücke, die ich sehr ansprechend fand. Das änderte aber nichts, denn ihr Konzert letzten November in der Berghain-Kantine war schon ausverkauft. Neues Jahr, neues Glück: heute ergab sich erneut die Gelegenheit.

Im Berghain war ich vor einigen Jahren schonmal zum Apparat-Konzert. Da ich zu dieser Zeit allerdings noch keine Konzertkritiken geschrieben habe, zu Beginn ein paar Worte zur Location.

Um den Club ranken sich so einige Legenden, was da allwochenendlich an Exzessen abgeht. Wer sein Kopfkino anwerfen möchte, dem reichen vielleicht die Stichworte unbarmherzige Türpolitik, keine spiegelnden Flächen innerhalb des Ladens, Unisextoiletten und fotografieren verboten. Spätestens seit dem Plagiat-Skandal um den Roman Axolotl Roadkill, in dem der Techno-Schuppen eine nicht unbedeutende Rolle spielt, ist das Berghain auch kein Geheimtipp mehr, sondern ins Blickfeld des Mainstreams gerückt. Und nicht zuletzt hat der Laden mit Sven Marquardt einen Türsteher, der es auch abseits des Clublebens zu gewisser Berühmtheit geschafft hat.

In diese Location verschlug es nun also bereits zum zweiten Mal Kate Tempest. Und als die 29jährige Britin mit den langen rotblonden Locken die Bühne betrat, musste ich mich unweigerlich fragen, ob sie als Gast an einem Wochenende hier wohl reingelassen worden wäre. Mein erster Eindruck von ihr: unscheinbar. Während ihre Bandkollegen (zwei Herren an Drumkits und eine Dame am Mischpult) mit vollem Elan loslegten, lief Tempest in Jeans und Shirt über die Bühne und erweckte den Eindruck, als wüsste sie nicht so recht die Zeit bis zu ihrem Einsatz zu überbrücken. Kein Blitzen in den Augen, kein vielsagendes Lächeln, nichts in ihrem Auftreten zeugte von dem, was folgen sollte.

Doch mit dem Augenblick, in dem sie das erste Wort ins Mikrofon sprach, schien sie wie ausgewechselt. Alles scheinbar unsichere wich einer energetischen Bestimmtheit die mich sofort gefesselt hat. Mit bedingungsloser Präzision und beeindruckendem Flow drückte sie ihre starken Worte in die Ohren des Publikums. Zwar habe ich davon nur die Hälfte verstanden, einerseits der Sprachbarriere geschuldet, andererseits weil ich direkt an einem der Boxentürme lehnte. Doch das, was verständlich war – ruhigere Passagen oder zwischendurch eingestreute Spoken-Word-Stücke ohne Musik – hat gesessen.

Mein Lieblingsstück von ihr (Lonely Daze) ist ein gutes Beispiel dafür, was genau mich an Kate Tempest fasziniert. Ihren Stil würde ich als Spoken-Word-Performance mit bassbetonter, musikalischer Unterlegung beschreiben. Jemand, der weniger Scheu vor dem Begriff hat als ich, könnte es auch Hip Hop nennen – jedoch ohne den damit oft einhergehenden Pathos, „aha, yeah“-Fill-Ins, Goldkettchen und Disses. Stattdessen zeugen ihre Stücke neben der Liebe zum Wort vor allem von Warmherzigkeit, guter Beobachtungsgabe und einem guten Stück Idealismus. Sie versteckt sich nicht hinter Andeutungen oder Zynismus (dem ich ja selbst nicht gerade abgeneigt bin), sondern zieht ihr Ding ironiefrei durch. Schon allein dafür gebührt ihr mein Respekt.

Fazit

Da stand ich nun in dieser hohen, dunklen Halle, der Bass der Box neben mir weht ein angenehmes Lüftchen um meine Arme und auf der Bühne wirft diese beeindruckende Person mich in ein Wechselbad der Gefühle. Ein auf mehreren Ebenen bewegender Abend.

5
Ticketpreis: 19,40 €

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