Vor einer Woche noch sanfte Klänge vom Klavier, heute voll auf die zwölf: Motorpsycho sind mal wieder in der Stadt, und ich hab ja gesagt, ich geh da hin, bis sie endlich mal mein Lieblingslied spielen.
Es wäre natürlich gelogen zu sagen, dass ich mir die Band zum mittlerweile vierten Mal anschaue, um nur ein einziges Stück mal live zu hören. Denn die Diskografie der Band, die dieses Jahr ihr 30jähriges Gründungsjubiläum begeht, umfasst durchaus mehr Material, das mich begeistern kann. Und da Motorpsycho den Ruf haben, auf keinen zwei Konzerten dieselbe Setlist zu spielen, könnte man rein mathematisch annehmen, dass die Chancen mit jedem Mal besser stehen… würden sie nicht mit gewisser Regelmäßigkeit auch neue Alben veröffentlichen.
Der aktuelle Longplayer trägt den Titel „The Crucible“, und mit dem titelgebenden Stück beginnt auch das Konzert. In den ausufernden Improvisationspassagen ist Zeit, in Ermangelung einer Langhaarfrisur zum headbangen zumindest kopfnickend darüber zu sinnieren, was mich an Motorpsychos Musik berührt. In einem meiner vorherigen Reviews sprach ich von Stilbrüchen, mittlerweile würde ich eher von Gegensätzen sprechen. Das Laute funktioniert nicht ohne das Ruhige, das Ernste nicht ohne das Augenzwinkernde, das Erratische nicht ohne das Monotone.
So beginnt manches Stück recht ruhig, steigert sich dann aber in Intensität und Lautstärke. Das Taktmaß wird unregelmäßig, das Schlagzeug wilder, die Gitarren kniedeliger, bis alles in einer epischen Kakophonie der Improvisation mündet, die sich über mehrere Minuten hinziehen kann. Kurz bevor es unerträglich wird, erahne ich durch den akustischen Blizzard wieder Schemen, es schimmert das Thema des Stückes hindurch. Plötzlich lichtet sich der Schleier, es wird ganz leise, der eben noch sehr schräg und off-key klingende Gesang wirkt plötzlich engelsgleich, begleitet von einer zarten Melodie, zu der ich die Augen schließen und mich berieseln lassen möchte. Und kurz nachdem die ersten erschöpft zum Applaus ansetzen, weil sie denken, wenn’s leise wird, muss das Stück zuende sein, baut sich wieder Spannung auf, es wird laut und schwer. Reingelegt: das war nur die Ruhe vor dem Sturm, auf in die nächste Runde.
Fazit
So kann man zwar sagen, dass Motorpsychos Musik nichts für Zartbesaitete ist (im übertragenen wie wörtlichen Sinne). Eines allerdings ist sie nie: Eintönig. Und so werde ich wohl auch das nächste Mal wieder dabei sein und mich von Motorpsycho hereinlegen lassen… denn mein Lieblingsstück lief immer noch nicht.