Ich bin gerade überrascht, als ich meine Sammlung nach dem heutigen Act durchsuche. Vor über sieben Jahren fand sich schon der erste Song von Cherry Glazerr in meiner Playlist. Zu behaupten, ich würde seitdem einem Konzert entgegenfiebern, wäre allerdings auch übertrieben. Der heutige Termin im Gretchen fällt eher in die Kategorie „könnte ganz lustig werden“.
Leider habe ich vor einigen Wochen den Fehler begangen, mal bei YouTube zu schauen, ob die kalifornische Band mit Frontfrau Clementine Creevy als einziger Konstante schonmal in Form eines Radio- oder TinyDesk-Konzerts gefilmt wurde. Ich wurde bei KCRW fündig, aber das ist nicht gerade ein Ohrenschmaus. Ein Kommentar fasst das ganz gut zusammen mit
They make great albums but unfortunately after seeing them live a few times it’s apparent that Clem just can’t sing live.
Eieiei, meine Vorfreude ist getrübt. Aber das Ticket ist gekauft, jetzt gibt’s kein Zurück.
Winter
Vorher gibt’s aber erstmal einen Support in Form dreier Leute, die unter dem Namen Winter auftreten. Bei dem Namen ist es nicht einfach, ein paar Informationen im Netz zu finden, die auch zu dem gehören, was ich da gerade gesehen habe. Winter ist offensichtlich der Nachname der Frontfrau, vielleicht ist sie aber auch der ganze Act, und die beiden anderen nur Gastmusiker. Wie dem auch sei, was da auf die Bühne kommt, ist gediegender Shoegaze, der mir im atmosphärischen Licht des Gretchens überraschend gut gefallen hat. Die Stimme war zwar kaum in den Gitarrenflächen auszumachen, entsprechend habe ich auch nichts von den Texten verstanden. Aber ich werde sie mal in den bekannten Streaming-Diensten abonnieren.
Cherry Glazerr
Nach kurzem Umbau dann also die Gretchen-Frage: Wie hat’s Clementine nun mit dem Gesang? Und leider muss ich sagen, dass das Video da oben kein Ausrutscher ist. Die Tonmischung heute ist nicht besonders auf die Vocals ausgerichtet. Bei dem, was ich davon höre, kann ich aber nicht sagen, dass ein anderer Mix viel geholfen hätte. Selbst die Bassistin hat eine besser geeignete Stimme.
Im Studio kann man da einiges machen. Und ich meine damit nicht mal Autotune und Konsorten, sondern allein den Umstand, dass man da auch mal standesgemäß ins Mikro schreien kann, um das fehlende Volumen zu kompensieren. Ist ja nur für eine Aufnahme. Wenn man allerdings ein ganzes Konzert spielt, und dann auch noch viele Termine am Stück, kann ich’s schon nachvollziehen, dass man den Stimmbändern zuliebe nicht zu jedem Song alles aus der Kehle holt. Das führt dann allerdings auch dazu, dass viele der eigentlich rockigen Stücke unter dem gesäuselten Gesang leiden.
So gesehen tut mir Clementine Creevy eigentlich Leid. Denn dass die Frau musikalisches Talent hat, kann ich ihr nicht abstreiten. Einige der Cherry-Glazerr-Songs halte ich durchaus für Kracher, das Gitarrenspiel ist pointiert, und auch an der Performance gibt’s nix zu meckern. Für ein Girl-Punk-Konzept bräuchte es nur mehr Power in der Stimme.
Aber gut, das klingt jetzt so, als sei das Konzert ganz furchtbar gewesen. So schlimm war’s aber nun auch wieder nicht. Wie gesagt, die Soundmischung war eher auf den Instrumentalpart optimiert. Und das KCRW-Video da oben hat auch kein Publikum und keine Club-Atmosphäre. Ich konnte dem Abend also durchaus was abgewinnen.
Fazit
Die Stimmung ist gut, die Band macht Laune, einzig die Gesangsstimme ist live nicht so überzeugend, als dass ich’s mir nochmal anschauen müsste. Ich bleibe bei Studioaufnahmen.