Nach so einer Woche abends nochmal raus in die kalte Dunkelheit zu einem Konzert, das ich mir eher als Füller rausgesucht habe? Zumindest ist es im Lido, wo ich erschreckenderweise seit über 8 Jahren nicht mehr war. Das war eine ganze Weile mein Lieblingsladen, immerhin ziert ein Foto davon auch den Hintergrund dieses Blogs. Na gut, ich raffe mich mal auf, könnte ja doch ganz nett werden.
Als ich den Laden betrete laufen Vogelzwitschern und Ambient-Klänge vom Band. Passend für ein Yoga-Retreat, aber als Einstimmung auf ein Konzert? Gewagt. Nach ein paar Minuten geht’s mit dem Support los.
Damien Dalla Torre
Der Name klingt spanisch-feurig, ich bin also gespannt. Die Bühne betreten zwei junge Herren, einer mit E-Gitarre um den Hals, der andere platziert sich zwischen allerlei Holzblasinstrumentarium. Es folgt eine zwar atmosphärische, aber rhythmuslose Aneinanderreihung von Tönen über einem elektronischen Klangteppich. Nach fünf Minuten denke ich mir „geile Intro, wann beginnt das Stück“? Doch es bleibt dabei. Gegen Mitte des Sets kann man kurzzeitig mal sowas wie einen Takt erahnen, danach geht es aber schnell wieder in Gedudel über. Das Publikum ist davon offenbar genausowenig überzeugt wie ich und setzt lieber seine Gespräche fort – in erhöhter Lautstärke, um die Musik zu übertönen.
Statt feurigen Klängen, die in die Beine gehen, kann ich mich also höchstens in eine „Blue Planet“-Doku imaginieren, für die das als Soundtrack vielleicht funktionieren könnte. Ansonsten klingt das nach Liege-Musik auf einem Steh-Konzert. Nicht meins.
Efterklang
Ich habe es in der Anleitung ja schon angedeutet. Der größte Fan des heutigen Haupt-Acts bin ich nicht. Acht Stücke von Efterklang finden sich in meiner Sammlung, was angesichts der über zwanzigjährigen Band-Geschichte nicht besonders viel ist. Ich kam also mit dem Wissen, dass ich das meiste nicht kennen werde. Warum ich trotzdem hier bin? Weil ich die Stimme von Frontmann Casper Clausen umwerfend finde. Und meiner Vorstellung nach könnte Efterklang auch eine Band sein, die mich live mehr begeistern kann als von der Platte. Los geht’s, und endlich auch mit Rhythmus in der Musik.
Bei jedem anderen Konzert würde ich jetzt ein paar Stücke benennen, die mich besonders begeistert haben. Aber die experimentellen oder eher deprimierenden Stücke aus meiner Sammlung (wie z.B. „I dine øjne„) stehen heute aus Gründen nicht auf der Setlist. Entsprechend kenne ich tatsächlich nix, Fans würden mich dafür wahrscheinlich ohrfeigen. Doch haltet ein: denn ich finde das trotzdem gut.
Im Prinzip liefert das Konzert das, was ich mir gewünscht habe: Die Stimme Clausens, die scheinbar mühelos zwischen Bariton und Falsett changiert, ist der Hammer und auch der Rest fügt sich sehr stimmig in ein Gesamtkonzept. Die Ausstrahlung der Band ist warm und herzlich, sodass ich nicht umhin komme, mit einem seligen Lächeln im Gesicht wippend den Leuten beim Musizieren zuzuschauen.
Da Berlin quasi die zweite Heimat der Dänen ist, haben sie zwischendurch ein paar lokale Gäste auf der Bühne. Dabei läuft nicht alles rund, der eine braucht für seinen Text einen Zettel, der andere verpasst mal den Einsatz. Das tut dem aber keinen Abbruch, sondern macht die Sache authentisch und familiär. Die gute Stimmung der Band färbt ab. Zur ersten Zugabe bekomme ich bei „The Ghost“ sogar langsam feuchte Augen. Das Stück habe ich im Nachhinein recherchiert, und die Studioaufnahme erzeugt bei mir bei weitem nicht solchen Emotionen.
Spätestens als die Band sich zur finalen Zugabe dann ins Publikum begibt und unverstärkt ein Stück zum besten gibt, ist es um mich geschehen. Das letzte Mal, wo ich solch einem Moment beiwohnen durfte, ist über 10 Jahre her. Dafür liebe ich aber Konzerte, und sowas kann man eben auch nur in kleineren Locations wie dem Lido erleben.
Fazit
Efterklang war vielleicht nicht die Band, die ich heute wollte, aber sie waren die Band, die ich brauchte. Wer meine Vorabwägungen teilt, sollte sich die Band mal live anschauen. Unerwartet großartig.