Neues Jahr, neues Glück. Nach nur einer Handvoll Konzerten letztes Jahr kommen 2023 hoffentlich ein paar mehr interessante Acts in meinen Konzertkalender. Los geht’s mit den Real Lies aus London. Draußen ist es kalt und dunkel und die Hose ist nass vom Schniesel, durch den ich hierhergeradelt bin. Nicht die besten Voraussetzungen für eine großartige Konzerterfahrung, aber warten wir’s ab.
Los geht’s mit der Londonerin caro<3. Die musiziert mit Keyboard und vorgebastelten Soundscapes vom Laptop und singt dazu. Gesanglich erinnert mich das ein bisschen an Grimes, nur dass caro<3 leider ihr ganzes Set (inklusive der Zwischenansagen) mit Autotune auf 11 bestreitet. Die Ansagen beschränken sich auf entweder „next up is another sad song“ oder „this is a happy song, so if you wanna dance…“. Dabei könnte man durchaus auch zu trauriger Musik tanzen. Nunja, alles in allem nicht so meins.
Vielleicht wird’s ja besser bei den Real Lies. Auf die bin ich vor neun Jahren über das Stück „North Circular“ gestoßen. Ihren Stil könnte man beschreiben als atmosphärischen House (hauptsächlich produziert von Patrick King), über den Kev Kharas mit mehr oder weniger sonorer Stimme Monologe führt. Thematisch dreht sich viel um flüchtige Club-Erlebnisse im Londoner Nachtleben. Ein YouTube-Kommentator fasst meinen Bezug dazu (paraphrasiert) ganz gut zusammen als „Nostalgie für eine Zeit, die man selbst gar nicht erlebt hat“.
Es ist allerdings auch nicht so, als wäre ich ein Vollblut-Fan der beiden. Sie tauchten erst vor zwei Jahren wieder in meinem Bewusstsein auf mit der Single-Veröffentlichung „Birds“, die einen Drum’n’Bass-Einschlag hat (und die ich am heutigen Abend leider vermisst habe). Letztes Jahr erschien ihr zweites Album „Lad Ash“, in dessen Zeichen diese Tour stand.
Obwohl hauptsächlich elektronisch unterwegs, haben Real Lies versucht, aus dem Konzert etwas mehr zu machen als das reine Vorspielen der Musik. Banner mit Zitaten aus den Songs dekorieren die Bühne und die beiden Bandmitglieder werden von zwei Tänzerinnen begleitet. Das ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Ich fühle ich mich an trashige Eurodance-Acts aus den Neunzigern erinnert, die ihre Vollplayback-Performances von Damen in knappen Outfits begleiten ließen, wenn die Musik allein nicht reizvoll genug war. Das hier stellt sich aber als nicht ganz so schlimm heraus, die Tänzerinnen werden vorgestellt und tragen Jeans und T-Shirt. Und ihnen gebührt auch definitiv Respekt, sie tanzen den Abend durch, schwenken Fahnen und verteilen Blumen ans Publikum. Das Konzert wäre ohne sie definitiv unspektakulärer gewesen.
Musikalisch können mich die Real Lies heute aber leider nicht mitnehmen. Die Soundmischung ertränkt die Vocals im Bass und ist zwischenzeitlich so übersteuert, dass ich die Stücke nur mit Mühe erkennen kann. Ich finde, ihre Musik lebt vom Wechsel zwischen ruhigen und stampfenden Passagen. Erstere kommen heute allerdings kaum zum Tragen, möglicherweise auch der Auswahl der Stücke geschuldet. Der Abend ist zwar durchgängig tanzbar und auch durchaus unterhaltsam, bis auf „Late Arcades“ hat es mich aber emotional nicht zu berühren vermocht.
Nach nicht mal anderthalb Stunden ist Schluss, und das Publikum im Privatclub vermag es nicht, ein Mindestmaß an Applaus aufrecht zu erhalten, um die Band für eine Zugabe zurück auf die Bühne zu holen. Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass die Leute keinen Spaß hatten, selbst meine Klamotten sind mittlerweile schweißdurchtränkt. Vielleicht einfach nur Faulheit – schade.
Fazit
Ein kurz(weilig)er, durchgängig tanzbarer Abend, der allerdings etwas unter dem Sound gelitten hat. Würde ich mir vielleicht nochmal anschauen, aber lieber an einem Ort, der dem Musikstil gerechter werden kann.