Kiasmos (Watergate)

Konzertkritik: Kiasmos
Price:
13,90 €

Reviewed by:
Rating:
5
On 5. Dezember 2014
Last modified:6. Mai 2022

Summary:

Wohliges Tiefdruckgebiet in geschlossenen Räumen, eine multisensorische Erfahrung.

„Was ist das denn?“ war die Reaktion der meisten, denen ich sagte, dass ich heute zu Kiasmos ins Watergate gehe. Mit einem Ticketpreis von knapp über 10 Euro dürfte das eins der billigsten Konzerte gewesen sein, bei denen ich bisher zugegen war. Was kann man da also falsch machen?

Kiasmos ist ein Projekt des isländischen Klassik-Elektro-Grenzgängers Ólafur Arnalds und des färöischen Elektropoppers Janus Rasmussen. Meinen ersten Kontakt bildete das Video zu „Thrown“ vor etwa zwei Jahren, das mich in seiner kühlen Ästhetik nicht sonderlich ansprach. Der ruhig vor sich hin plätschernde Track hingegen verfing, und im Lauf der Zeit kamen noch ein paar Stücke über den Soundcloud-Kanal des Labels „Erased Tapes“ hinzu. Vor wenigen Wochen schließlich erschien ihr Debutalbum mit acht Stücken, die allesamt Verben im past participle als Titel tragen. </languagenerd>


Kiasmos „Thrown“ on Vimeo.

Im Vorhinein war ich unschlüssig, was ich von dem heutigen Abend eigentlich erwarte. Die recht harmonische Verschränkung zwischen elektronischer Musik mit Ambient-Einschlag und eingesprenkelten Pianopassagen konnte ich mir in einem Club nicht besonders gut vorstellen. Nichtsdestotrotz fand ich mich im ausverkaufen Watergate ein, einem mittlerweile als Touristenschuppen verschrienen Minimal-Club an der Oberbaumbrücke. Allein aufgrund seiner Atmosphäre und der installierten Soundanlage muss der aber als leider geil eingestuft werden. Man fühlt sich wie in einem Filmset: mitten im Raum eine Bar, zur Linken öffnet die raumhohe Fensterfront den Blick auf die Spree mit ihren vorbeiziehenden Ausflugsbooten. An der Decke prangt eine pervers große LED-Anlage, die in allen Farben und Mustern die gespielten Klänge visualisiert. Schräge Balken mit Leuchstoffröhren runden das Gesamtbild ab und verleihen dem Raum einen klaustrophobischen Touch. Es gibt wie im Berghain eine „no photos“-Regel, die von den Angestellten mit Ermahnungen versucht wurde durchzusetzen. „No smoking“ hat aber leider weder vor, noch hinter den Mischpulten jemanden interessiert.

Nach über zwei Stunden Bespaßung durch den Support-Act Zetti (ich hatte zwischendurch die Befürchtung, er spielt bis Mitternacht), ging’s dann endlich los. Und sobald nach der ruhig-atmosphärischen Intro die Bässe einsetzten, waren meine Zweifel an der Clubtauglichkeit Kiasmos‚ verflogen. In Gedanken bemitleidete ich diejenigen im Publikum, die nicht in den Genuss von durch die tiefen Flächen massierten, dank Gänsehaut abstehenden Haaren an den Unterarmen kamen.

Ähnlich körperlich fand ich die Wahrnehmung von Musik bisher nur auf OpenAir-Veranstaltungen wie bei Portishead auf dem Melt! oder bei Sigur Rós auf dem Berlin Festival. Aber die Anlage im Watergate kann hier überzeugen, ohne dass der Sound scheppert oder die Ohren klirren. Die LED-Lichtshow trug ihr übriges zur Gesamtstimmung bei, sodass es mir ab einem gewissen Punkt fast egal war, was da vorne im Detail gespielt wird.

Fazit

Wohliges Tiefdruckgebiet in geschlossenen Räumen, eine multisensorische Erfahrung.

5
Ticketpreis: 13,90 €

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