Über zwei Jahre ist das letzte Konzert nun her, weg ist alle Routine. Nach so langer Zeit Abstand halten und Kontaktminimierung jetzt also das erste Mal wieder ins Getümmel eines Klubs. Ob das gut geht? Vielleicht erstmal wieder klein anfangen, beispielsweise mit Miles Kane im Gretchen.
Okay, wie war das noch gleich? Achja, vor dem Haupt-Act gibt’s erstmal was zum warm werden. Heute abend sind das die Oracle Sisters. Woher die ihren Namen haben, erschließt sich mir nicht, da zunächst nur zwei junge Herren mit Gitarre auf der Bühne stehen, die auch nicht so aussehen, als seien sie verwandt. Nach zwei Stücken gesellt sich noch eine Frau dazu, die Percussion, Bass und Vocals beisteuert. Zusammen spielen sie getragenen Singer-Songwriter-Indie mit Harmoniegesang. Würden sie irgendwo an einem hübschen Fleckchen auf der Straße musizieren, würde ich innehalten und ein Weilchen lauschen… sei es auch nur, weil ich in den letzten Monaten ein veritables Livemusik-Defizit aufgebaut habe. Nach dem Weitergehen hätte ich sie aber auch schnell wieder vergessen.
Aber ich bin ja auch nicht ihretwegen hier, sondern für den Briten Miles Kane. Auf den stieß ich vor über 10 Jahren als die Hälfte von The Last Shadow Puppets, einer Kollaboration mit Alex Turner von den Arctic Monkeys. Er ist aber auch auf Solo-Pfaden unterwegs und hat unterdessen das eine oder andere Album veröffentlicht. Das aktuelle heißt „Change the Show“ und erschien Anfang dieses Jahres.
Musikalisch lässt sich der Anzugträger und ehemalige Pilzkopf unter dem wenig aussagekräftigen Label „Indierock“ einsortieren, mit gelegentlichem Hang zu hymnenhaften Ohrwürmern zum Mitgröhlen. Von denen geben Kane und seine fünfköpfige Band auch gleich zu Beginn ein paar zum Besten („Inhaler“, „Coup de Grace“). Dafür, dass ich nicht besonders tief in der Diskografie stecke, bin ich angenehm überrascht, das meiste auch zu kennen. Mit „Standing next to me“ wird auch ein Last Shadow Puppets-Stück gespielt, wenngleich es schon einen Unterschied macht, ob das solo oder von zwei Stimmen in Harmonie gesungen wird.
Das smarte Jackett wird nach wenigen Stücken abgelegt. Neidische Zungen könnten behaupten, dass Miles Kane die Lockdowns offenbar an den Hanteln verbracht hat und nun das Ergebnis präsentieren möchte. Aber wer kann, der kann. Solange er auf der Bühne eine ordentliche Show liefert, kann er die meinetwegen auch im Muscle-Shirt abhalten.
Und diesbezüglich kann ich nicht klagen. Miles Kane hat die typischen Rockband-Frontmann-Gesten drauf und ist offensichtlich genauso froh, wieder auf einer Bühne spielen zu können wie die Leute davor froh sind, ihm dabei zuzuschauen. In guten Momenten des Konzerts konnte ich den Elefanten im Raum, das unausgesprochene böse C, tatsächlich ausblenden.
Als Wermutstropfen bleibt die kurze Dauer, nicht mal anderthalb Stunden hält der Spaß. Als Rausschmeißer gibt’s das schon ältere „Don’t forget who you are“, das jedoch im Kontext der letzten zwei Jahre in neuem Licht erscheint. Dann ist aber ohne Zugabe Schluss.
Fazit
Ein kurzes Vergnügen, aber ein angemessener Wiedereinstieg in Livemusik-Veranstaltungen. Kann man aber auch davon unabhängig mal machen.