Ich hatte es ja vor einigen Wochen schonmal angerissen, dass mich meine Post-Punk-Phase zu Dry Cleaning führen wird. Wie die Gitarre-/Bass-/Schlagzeug-/Gesangskombo allerdings so ins Berghain passt, das ja eher für elektronische Musik steht, ist mir nicht ganz klar. Schau’n wir mal, was wird (was wird).
Kurz vor knapp treffe ich am Club ein um festzustellen, dass draußen noch eine lange Schlange steht. Grundsätzlich ist das fürs Berghain zwar typisch, aber für ein normales Konzert trotzdem ungewöhnlich. Offenbar haben sie seit meinem letzten Besuch hier ihre „keine Fotos“-Policy auch auf solche Veranstaltungen ausgeweitet, sodass neben der obligatorischen Taschenkontrolle auch noch ausführliches Abkleben sämtlicher Handykameras ansteht. Da Mobiltelefone sich mittlerweile im Wettbewerb mit Rasierern befinden, wer mehr Linsen respektive Klingen in seinem Gerät unterbringen kann, dauert das pro Person entsprechend.
Macht aber nix, der Support, der bereits zugange ist, haut mich nicht vom Hocker. Da spielt ein Typ Synthie-Elektro der Art „ich dreh mal hier, oh das klingt nett, versuche ich gleich nochmal“. Nicht sonderlich melodisch und für meinen Geschmack auch nicht besonders tanzbar, da zwischendurch das Tempo in alle Richtungen moduliert wird. Ich bin daher auch nicht motiviert zu recherchieren, um wen es sich da gehandelt hat.
Während des Umbaus gibt’s dann gänzlich andere Musik von der Konserve. Mein Highlight: Wer schon immer mal zu Super Trouper im Berghain tanzen wollte, hätte heute die Gelegenheit gehabt. Dennoch beiße ich mir gedanklich schon wieder in den Hintern, da ich meinen Gehörschutz vergessen habe. Die letzte Nacht war kurz, ich habe schon ein paar Drinks von einer vorangehenden Veranstaltung intus und Mono-Beschallung in voller Lautstärke direkt neben einem der großen Boxentürme kommt meinen Nerven (und Ohren) heute nicht entgegen. Aber ich habe die Hoffnung, dass Dry Cleaning besser abgemischt sind und dadurch zumindest nicht nur Sound-Matsch ankommt.
Wer die Band nicht kennt: Dry Cleaning sind vier Leute aus London, die ihre Nische im Post-Punk gefunden haben. Alleinstellungsmerkmal ist Bewusstseinsstrom-Sprechgesang, zusammengesetzt aus Konversationsschnipseln, die Sängerin Florence Shaw beim Pendeln im ÖPNV oder sonstwo aufgeschnappt und ohne konkreten Zweck in einem Notizbüchlein festgehalten hat. Als sie dann als Sängerin für die Band angefragt wird, aber nicht so recht weiß, worüber sie denn singen soll, kommen ihr die Notizen wieder in den Sinn. Entsprechend ergibt sich jeglicher tiefere Sinn oder philosophische Kontext der Texte nur im Kopf der Zuhörenden.
Die Band ist heute gut bei der Sache. Gitarrist Tom Dowse schrammelt um sein Leben und fordert wild gestikulierend mehr Stimmung ein, als stünde er im Wrestling-Ring. Florence Shaw am Mikrofon hingegen zieht das Konzert mit einem extrem angewiderten Gesichtsausdruck durch, was aber der „crazy person“-Persona entspricht, die solche erratischen Texte von sich geben würde. Zwischen den Stücken bricht sie gelegentlich aus ihrem Charakter aus, weswegen ich mal guten Gewissens behaupte, dass sie da nur eine Rolle spielt.
Leider kann die Hoffnung auf cleanen und angenehmen Sound heute aber nicht erfüllt werden. Ich war ja schon bei einigen Konzerten im Berghain und vom Ton bisher immer ganz angetan. Den Gitarrensound heute finde ich aber in großen Teilen sehr anstrengend. Ich bin mir nicht sicher, ob das aufgrund der oben genannten äußeren Umstände ist, oder ob sich die Anlage des Berghains einfach nicht für Gitarrenmusik eignet. Entsprechend verfangen bei mir heute nur die wenigen ruhigen Stücke wie „Traditional Fish“, bei denen der Sprechgesang verständlich bleibt und nicht im Sound-Brei untergeht.
Fazit
War mir heute zu laut und die Tonmischung nicht sauber genug. Und ausgerechnet bei dem einen Stück, wo ich mal Gitarre auf die Fresse gut gefunden hätte, war’s für meinen Geschmack zu leise. Schade.