Als ich vor drei Jahren auf Marika Hackman stieß, zogen mich einige ihrer herrlich deprimierenden Stücke gleich in den Bann. Mit diesen im Ohr kaufte ich mir die Tickets für das heutige Konzert – mal wieder bevor das neue Album erschien. Aus kürzlicher Erfahrung weiß ich, sowas kann in die Hose gehen… und diesmal?
Zum Auftakt gibt’s im ausverkauften Privatclub erstmal die walisische Künstlerin Art School Girlfriend. Die spielt zwar einen wesentlichen Teil ihrer Musik nur als Playback vom Rechner, ihr darüber gelegtes E-Gitarrenspiel und der Gesang sind aber dennoch recht stimmungsvoll. Den Stil würde ich mal als Elektro-Shoegaze beschreiben, mir ist zwar nichts direkt im Ohr geblieben, aber ich fand’s trotzdem ganz gefällig. Werde mir das beizeiten mal genauer anhören.
Dann also Marika Hackman. Wie eingangs schon beschrieben waren meine ersten Eindrücke der jungen Singer-Songwriterin Stücke wie „Before I sleep“, die nicht gerade als Stimmungsaufheller durchgehen. In den meisten Songs, die seitdem ihren Weg in meine Sammlung gefunden haben, kehrt sie ihr innerstes nach außen. Ich kann beispielsweise nicht mehr zählen, wie oft ich im letzten Jahr „I’d rather be with them“ auf den Ohren hatte.
Dieses Jahr also ein neues Album, betitelt mit „Any Human Friend“. Nach wie vor trägt Hackman ihr Herz auf der Zunge und erhebt die schonungslose Direktheit zum Stilmittel. Doch dreht es sich diesmal weniger um Schmerz und Trauer, sondern um deren Überwindung, aber auch um Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Solche Themen erfordern natürlich auch eine andere musikalische Untermalung, so weicht der langsame Singer-Songwriter-Folk mit fortschreitender Karriere der Künstlerin rockigeren und poppigeren Melodien.
Klingt danach, als sollte mich das eher abschrecken, ich muss allerdings zugeben, dass diese Entwicklung mir dennoch zusagt. Heute live unter Begleitung eines weiteren Gitarristen, einer Schlagzeugerin und einer Bassistin kann ich also bewundern, dass Marika Hackman nicht nur introvertierten Seelen-Striptease überzeugend präsentieren, sondern auch ihre Haare zu flotteren Takten schwingen kann.
Das aktuelle Album zeugt jedenfalls davon, dass die 27jährige ein Händchen für Hooks hat und sich auch sonst nicht ganz ernst nimmt. Die Texte sind gespickt mit subtilem Humor, den sie auch zwischen den Songs auf der Bühne aufblitzen lässt. Mit dem Alter und der musikalischen Reife wächst offensichtlich auch ihr Selbstvertrauen, und man merkt ihr an, dass sie das genießt. Zu einem der Songs lässt sie ihre Gitarre auf der Bühne, greift sich das Mikro und begibt sich zum Tanzen ins Publikum. Momente wie diese sind es, bei denen ich mir denke, dass manche Künstler ein bestimmtes Level an Popularität besser nicht überschreiten sollten. So direkten Kontakt wird man in größeren Locations leider kaum erleben können – oder wenn dann nur die vorderen 1% des Publikums.
Ich habe ja schon erwähnt, dass die Fleischeslust in Marika Hackmans Texten Einzug gehalten hat, insofern war ich schon allein deswegen auf das Konzert gespannt , um zu sehen, wie sie dieses doch sehr persönliche Thema vor wildfremden Leuten aufs Tapet bringt. Mein Highlight des Albums und auch des heutigen Abends ist entsprechend die Selbstermächtigungs-Hymne „Hand solo“. Die geht – um die eingangs gestellte Frage zu beantworten – ziemlich in die Hose, aber im wörtlichen, nicht übertragenen Sinne. Das zugehörige Video kommt somit auch mit einer NSFW-Warnung:
Fazit
Tolles Konzert, leider viel zu schnell vorbei. Ein paar ältere Stücke hätte Marika Hackman zwar für meinen Geschmack noch spielen können, das hätte jedoch eine andere Dramaturgie der Setlist erfordert. Definitiv aber eine Künstlerin, zu der ich wieder gehen würde.