Melt! 2014 – Tag 3 (20.07.2014)

Auch das schönste Festival hat ein Ende, und nach drei Tagen war das auch beim Melt! der Fall. Bevor es aber nach Hause ging, gab es nochmal einige großartige Konzerte zu bewundern. Der Sonntag im Rückblick.

Ich hätte ja gern noch einiges mehr gesehen. Beispielsweise spielten gegen 18 Uhr Jagwar Ma, die ich im Vorprogramm der Foals vergangenes Jahr schonmal gesehen und für interessant befunden hatte. Und auch SOHN hätte ich mir nochmal angeschaut, um zu sehen, wie der seinen introvertierten Sound auf einer Festivalbühne präsentiert. Aber die spielten zu früh, es hat also nicht sollen sein.


Allerdings erreichten wir pünktlich das Festivalgelände, um vor eine schwierige Wahl gestellt zu werden: die festivalerprobten Moderat oder die britischen Newcomer von Jungle? Für einen Mitstreiter und mich fiel die Wahl auf letztere, und so begaben wir uns rechtzeitig zum Intro-Zelt, auf dass wir nicht wieder wegen Überfüllung draußen stehen mussten. Diese Sorge war aber gänzlich unbegründet, als wir ankamen, saßen vielleicht 20 Leute vor der Bühne und harrten der Dinge, die da kommen mögen. Nach einem sehr ausführlichen Soundcheck (ich glaube, der erste Song hieß „Yep, Yep, One, Two“ und dauerte ca. 20 Minuten) füllte sich das schwülwarme Zelt dann aber doch noch mit Menschen und tropischer Atmosphäre.

Das selbstbetitelte Debutalbum der Band erschien erst vor einigen Tagen und ich wusste nicht, wer da letztlich auf der Bühne stehen würde. Es ist auch gar nicht so einfach, etwas über Jungle herauszufinden. Um mal in der Sprache unserer Zeit zu bleiben: Der Shit ist so hot, dass selbst die englischsprachige Wikipedia erst seit knapp zwei Wochen einen Artikel über sie hat. Die vier Musikvideos, die es zu Stücken der Band gibt, zeigen Menschen verschiedenen Alters, die in Tanzperformances die Modekollektion eines bekannten Sportartikelherstellers präsentieren – doch keines die Musiker hinter dem Projekt.


Jungle – „The Heat“ on Vimeo.

Der sehr funkige 70er-Groove in Kombination mit Bee-Gees-artigem, mehrstimmigem Falsettgesang, eingehüllt in ein modernes Soundgewand ließen mich jedenfalls eine Handvoll hippe Mittvierziger erwarten, die damit eine Hommage an die Lieder ihrer Jugend abfeiern möchten. Aber weiter daneben ging fast nicht. Keinen derjenigen, die da auf der Bühne erschienen, würde ich wesentlich über 25 einschätzen. Die aufgetragenen Trainingsanzüge oder Bomberjacken in Kombination mit zurückgegelten Haaren oder militärischem Kurzhaarschnitt verdienen auch eher das Prädikat prollig statt funky.

Jungle

Aber wie heißt es so schön: Hauptsache es groovt. Und das tat es definitiv, das lange Gefeile beim Soundcheck hatte sich gelohnt und das schwitzende Publikum tanzte vom ersten bis zum letzten Takt. Definitiv eine Überraschung, und ich kann nur empfehlen, sich Jungle bei Gelegenheit mal anzuschauen.


Zurück an der Main Stage war es für uns an der Zeit, das Festival ausklingen zu lassen. Nach der stimmungsvollen Tanzmusik von Jungle gaben wir uns als Kontrastprogramm der kraftvollen Schwermut Portisheads hin, die als letzter Headliner aufspielten. Im Unterschied zum Konzert im letzten Jahr haben wir uns diesmal weit nach vorn begeben, um die Band aus der Nähe zu erleben. Und wenn ich diese Erfahrung mit meiner Beschreibung von damals vergleiche, dann war das eine gute Entscheidung.

Portishead

Die Performance an sich unterschied sich zwar nicht wesentlich, und auch die Musikauswahl deckte sich weitgehend mit dem letzten Konzert. Der Sound hingegen wirkte diesmal sehr viel bedrückender, und das nicht nur im übertragenen Sinne. Bei einigen Stücken waren die Tiefen derart ausgeprägt, dass es einem die Plomben in die Zähne drückte, um dann kurz bevor es schmerzhaft wurde, wieder in angenehmere Frequenzen und Lautstärken zu wechseln. Portishead ist zwar nicht unbedingt tanzbar, aber dieser Umgang mit Ton machte aus dem Konzert dennoch eine überaus körperliche Erfahrung. Außerdem dürfte es der Stimmung auch zuträglich gewesen sein, dass sie diesmal erst kurz vor Mitternacht starteten, Portishead bei Sonnenschein ist retrospektiv dann doch ein zu großer Gegensatz.

Selbstverständlich hat auch Sängerin Beth Gibbons wieder überzeugt. Ich frage mich, wie die Frau eigentlich im normalen Leben so drauf ist. Bei den Konzerten jedenfalls nimmt sie ein sehr ausgiebiges Bad in Melancholie und Selbstmitleid und singt mit verzerrtem Gesicht in gekrümmter Haltung. Während der Instrumentalparts wendet sie sich ab und dreht dem Publikum den Rücken zu – vielleicht sollte man sich vorstellen, dass sie in diesen Momenten heimlich lächelt.

Fazit

Ein bewegender Abschluss eines musikalisch großartigen Festivals.

Melt! 2014
Freitag (18.07.2014) | Samstag (19.07.2014) | Sonntag (20.07.2014)

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